Handchirurgie
Die Hand ist ein multifunktionales Körperteil, das eine unglaubliche Vielzahl von hoch entwickelten Funktionen birgt und nicht umsonst als Sinnesorgan bezeichnet wird. Die Zusammensetzung aus Gelenken, Knochen, Muskeln, Nerven, Sehnen sowie Blutgefäßen macht sie jedoch zu einem sehr komplizierten und verletzlichen Organ. Das Vorhandensein so vieler verschiedener anatomischer Strukturen setzt daher umfangreiche Fachkenntnisse voraus, um Erkrankungen und Verletzungen der Hand erfolgreich behandeln zu können.
Die Handchirurgie entwickelte sich aus der plastischen Chirurgie, der Neurochirurgie sowie der Unfallchirurgie und beschäftigt sich mit der Diagnose und Behandlung von chronischen oder akuten Verletzungen der oberen Extremitäten (Daumen, Finger, Hand, Unterarm, Oberarm, Schulter). Im Speziellen werden dabei Verletzungen an den Fingerknochen, Bändern, Unterarmknochen bzw. an Nerven und Blutgefäßen versorgt. Außerdem beschäftigt sich die Handchirurgie mit Knochenveränderungen, Einengungen von Sehnen- und Nervenscheiden bzw. mit Veränderungen am Bindegewebe. Dies schließt auch die Behandlung von Patienten mit chronischem Schmerzsyndrom (CRPS oder Morbus Sudeck) bei Erkrankungen oder nach Verletzungen der oberen Extremität ein. Die meisten Eingriffe werden dabei unter Teilnarkose durchgeführt, kleinere operative Eingriffe können auch unter Lokalanästhesie (örtlicher Betäubung) vorgenommen werden. Eine Vollnarkose wird vor allem bei Operationen, die über das Ellenbogengelenk hinaus gehen, erforderlich.
Als Pionier der Handchirurgie gilt der US-amerikanische Chirurg Sterling Bunnel, der nach seinem Studium an der University of California at Berkeley eine allgemeinchirurgische Ausbildung absolvierte und sich intensiv mit der vergleichenden Anatomie beschäftigte. 1944 veröffentlichte er das Werk "Die Chirurgie der Hand", das als Meilenstein auf dem Gebiet der Handchirurgie angesehen wird. Bahnbrechend waren auch seine Nerven- und Sehnen-Transplantationen, für die er spezielle Ausziehdrahtnähte entwickelte. Bunnels Arbeit führte schließlich zur Gründung der "American Society for Surgery of the Hand" (erste handchirurgische Gesellschaft) im Jahr 1946. Die erste europäische handchirurgische Gesellschaft entstand 1951 in Skandinavien, ein Jahr später folgte eine Gründung in England durch Stack und Pulvertaft. In Deutschland wurde die erste handchirugische Abteilung im Jahr 1963 von Dieter Buck-Gramcko gegründet. Durch Landsmeer und Kleinert konnten außerdem die operativen Verfahren verbessert werden. Ein wichtiger Fortschritt war darüber hinaus die Entwicklung von operationstechnischen Hilfsmitteln wie zum Beispiel Implantaten, Mikroskopen oder mobilen Röntgengeräten. 1993 führte man die Zusatzbezeichnung "Handchirurgie" als geschützten Begriff ein, die von Chirurgen, Plastischen Chirurgen bzw. Orthopäden erworben werden kann.